- Kelten, westliche Hallstattkultur und La-Tène-Kultur
- Kelten, westliche Hallstattkultur und La-Tène-KulturGanz Gallien zerfällt in drei Teile. Den einen bewohnen die Belger, den zweiten die Aquitaner, den dritten die Menschen, die in ihrer eigenen Sprache »Kelten«, in unserer »Gallier« heißen.« So lautet der bekannte erste Satz in Iulius Caesars Bericht über den siebenjährigen Gallischen Krieg (58-51 v. Chr.), mit dem die Zeit der keltischen Unabhängigkeit auf dem europäischen Festland ihr Ende finden sollte. »Kelten« - so nannte schon im 5. Jahrhundert v. Chr. der »Vater der Geschichtsschreibung« Herodot die Bewohner der Gebiete »jenseits der Säulen des Herakles« (das heißt der Meerenge von Gibraltar), und so bezeichnete auch gut dreihundert Jahre später der stoische Philosoph Poseidonios jene Menschen, deren Sitten er während seines Aufenthalts im Umland der griechischen Kolonie Massalia (Marseille) studierte und in farbigen Schilderungen der Nachwelt überlieferte.Wer dagegen in antiken Quellen nie als Kelten bezeichnet wird, das sind die Bewohner eben jener Länder, die man heute mit Vorliebe »keltisch« nennt: Irland, Schottland und Wales. Dass dort Nachfahren jener Kelten leben, von denen die griechischen und römischen Autoren berichten, war noch im Mittelalter auch den Iren, Schotten und Walisern selbst unbekannt. Erst die Humanisten des 16. Jahrhunderts bemerkten die Ähnlichkeit des Irischen und Walisischen mit dem aus antiken Quellen bekannten Keltischen, und erst der Sprachwissenschaftler Franz Bopp erkannte im 19. Jahrhundert die Zugehörigkeit des Keltischen zur großen indogermanischen oder indoeuropäischen Sprachfamilie. Bald darauf schuf der Historiker und Sprachwissenschaftler Johann Kaspar Zeuss mit seiner »Grammatica Celtica« (1853) die Grundlage der Erforschung keltischer Sprachen und Literaturen, eben der modernen Keltologie.Welche materiellen Überreste der vorrömischen Zeit den Kelten zuzusprechen seien, sollte jedoch bis ins letzte Viertel des 19. Jahrhunderts unklar bleiben. Hatten noch Altertumsforscher des 17./18. Jahrhunderts wie Henry Rowlands oder William Stukeley unterschiedslos Monumente der Stein- und Bronzezeit mit den aus antiken Quellen bekannten Kelten in Verbindung gebracht, so setzte sich im 19. Jahrhundert die Auffassung durch, dass die für uns erkennbare Geschichte der Kelten eigentlich erst in der Eisenzeit beginnt. Indem er die archäologischen Funde der vorrömischen Eisenzeit nach stilistischen Kriterien entweder einer älteren Hallstattkultur oder einer jüngeren La-Tène-Kultur zuordnete, schuf der schwedische Archäologe Hans Hildebrand 1872 erste Ansätze zu einer Chronologie jener weitgehend schriftlosen Epoche mitteleuropäischer Geschichte. Ausschlaggebend für die Wahl dieser Bezeichnungen waren die reichhaltigen Funde, die seit den 40er- und 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts aus einem Gräberfeld bei Hallstatt (im österreichischen Salzkammergut) und aus einer La Tène genannten Untiefe an der Nordspitze des Neuenburger Sees (in der Schweiz) zutage gekommen waren.Nach rund 150-jähriger Grabungs- und Forschungstätigkeit zeichnet die moderne Archäologie ein in vielen Zügen gewandeltes und zugleich umfassenderes, detaillierteres und plastischeres Bild der keltischen Welt. Dazu haben neben einer Fülle neuer Entdeckungen gerade in der jüngsten Vergangenheit vor allem verfeinerte Grabungs- und Konservierungstechniken sowie der Einsatz naturwissenschaftlicher Methoden bei der Untersuchung archäologischer Objekte beigetragen. Dadurch konnte auch die Chronologie im ganzen und in vielen Einzelheiten präzisiert werden. Die La-Tène-Kultur (späteres 5.-1. Jahrhundert v. Chr.) hatte bereits Otto Tischler in eine frühe, mittlere und späte La-Tène-Zeit untergliedert. Sie gilt in allen ihren Ausprägungen bis heute als die keltische Kultur schlechthin. Die Hallstattkultur dagegen teilt man seit langem in eine ältere (ausgehendes 8. und 7. Jahrhundert v. Chr.) und eine jüngere (6. und älteres 5. Jahrhundert v. Chr.) Zeitstufe. Außerdem unterscheidet man zwischen einem westlichen Hallstattkreis (Ostfrankreich, Schweiz, Süddeutschland und westliches Österreich) und einem östlichen Hallstattkreis (östliches Österreich und Balkanraum). Heute bringen Archäologen üblicherweise nur Funde aus der letzten Phase des westlichen Hallstattkreises unmittelbar mit den aus antiken Quellen bekannten Kelten in Verbindung.Die Altersbestimmung dieser Funde beruht indessen längst nicht mehr allein auf stilistischen Kriterien oder darauf, dass manche Gräber genauer datierbare Importstücke aus dem Mittelmeerraum enthalten. Vor allem durch die moderne Methode der Dendrochronologie (der Altersbestimmung von Hölzern anhand der Jahresringe) kann man heute einzelne Ereignisse der keltischen Geschichte unter günstigen Umständen auch ohne schriftliche Quellen aufs Jahr genau bestimmen.Allerdings ist gerade die älteste Geschichte der keltischen Völker auch heute noch längst nicht in allen Einzelheiten bekannt. So spricht insbesondere die frühe Abwanderung keltisch sprechender Bevölkerungsteile aus Mitteleuropa nach Oberitalien und der Iberischen Halbinsel dagegen, die keltische Kultur mit der geographisch enger begrenzten La-Tène-Kultur ohne weiteres gleichzusetzen. Auch ist zu vermuten, dass die keltische Kultur Irlands ihre Blüte nicht zuletzt der Verschmelzung zugewanderter keltischer Stämme mit der historisch nicht mehr fassbaren alteingesessenen Bevölkerung jener Gegenden am Rande Westeuropas verdankt.Dr. Bernhard MaierBirkhan, Helmut: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Wien 1997.Duval, Paul-Marie: Die Kelten. Aus dem Französischen. München 1978.Lessing, Erich und Kruta, Venceslas: Die Kelten. Entwicklung und Geschichte einer europäischen Kultur in Bildern. Freiburg im Breisgau 1979.Spindler, Konrad: Die frühen Kelten. Stuttgart 21991.
Universal-Lexikon. 2012.